16. Juli 2024

Update: Umweltstrafrecht

Die EU hat eine neue Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt auf den Weg gebracht: die RL 2024/1203 vom 11. April 2024 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Die Richtlinie ist bis Mai 2026 umzusetzen, weshalb auch der österreichische Gesetzgeber demnächst tätig werden muss, um das nationale Umweltstrafrecht an die neuen unionsrechtlichen Vorgaben anzupassen. Problematisch ist, wie bereits im bisherigen EU-Umweltstrafrecht, die Vielzahl an Verweisen auf andere EU-Gesetzestexte, die letztlich zu „Blankettstrafnormen“ führen und – nicht nur für Laien – kaum überblickbar sind.

Die Neuerungen der EU-Richtlinie lassen sich in folgende vier Kategorien einteilen:

  1. Zusätzliche Umweltstraftaten im gerichtlichen Strafrecht

Die Richtlinie definiert weitere Umweltstraftaten, die deutlich über den bisherigen Deliktskatalog (§§ 180–183 StGB) hinausgeht, wie u.a. der verbotene Handel mit Holz, Kaffee, Kakao und Ölpalmen; die das Ökosystem schädigende Einleitung, Abgabe oder Einbringung von Materialien, Stoffen, Energie oder ionisierender Strahlung in Luft, Boden oder Wasser; das vorschriftswidrige Recyceln von Schiffen; der vorschriftswidrige Umgang mit Quecksilber(-verbindungen bzw. -gemischen) und die Entnahme von Oberflächen- oder Grundwasser. Einige dieser Taten sollen – insbesondere beim Eintritt schwerer Folgen (wie Tod oder schwere Körperverletzung von Personen, erhebliche Umweltschäden) – bereits bei grober Fahrlässigkeit gerichtlich strafbar sein.

Ähnlich wie bei den bisherigen Umweltstraftaten stellt auch hier der Unionsgesetzgeber auf eine rechtswidrige Tatbegehung ab, die bestimmte Folgen hat bzw. haben könnte: Tod, schwere Körperverletzung von Personen, erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität, erhebliche Schäden an einem Ökosystem, Tieren oder Pflanzen. Die sog. „Verwaltungsrechtsakzessorietät“ erfordert zunächst die Prüfung, ob das in Rede stehende Verhalten (verwaltungs-)rechtswidrig ist – unabhängig vom Vorhandensein eines allenfalls passenden Straftatbestands. Erst wenn dies bejaht wird, ist in einem nächsten Schritt zu untersuchen, ob die weiteren Tatbestandsmerkmale, insbesondere auf subjektiver Tatseite (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit), erfüllt sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass verwaltungsrechtlich rechtmäßiges Verhalten grundsätzlich nicht zur Strafbarkeit führen kann. Nota bene: Von dieser Regel gibt es Ausnahmen!

Darüber hinaus wird die Erweiterung der Liste an Umweltstraftaten in Österreich dazu führen, dass zahlreiche Rechtsverstöße, die bislang verwaltungs(straf)rechtlich geahndet wurden, nun in die gerichtliche Strafbarkeit fallen. Da die Richtlinie für einzelne Deliktsbereiche Mindestfreiheitsstrafen vorgibt, wäre eine Einordnung der neuen Straftaten im österreichischen Verwaltungsstrafrecht gar nicht möglich.

Ob die strafgerichtliche Ebene für die jeweilige Tat angemessen ist, sei dahingestellt. Aus Behördensicht führt die Überführung in das gerichtliche Strafrecht u.a. dazu, dass die Berufung auf den verantwortliche Beauftragte (§ 9 VStG) nicht (mehr) ausreicht – vielmehr müssen konkrete Feststellungen zum Täter samt entsprechender subjektiver Tatseite (Vorsatz, Fahrlässigkeit) erfolgen.

  1. Festlegung von Mindeststrafen

Wie bereits angesprochen gibt auch diese Richtlinie vor, welche Höchstfreiheitsstrafe „zumindest“ für das jeweilige Delikt vorgesehen sein muss. Nach oben sind der Fantasie der nationalen Gesetzgeber keine Grenzen gesetzt; es wäre aber wünschenswert, wenn – innerhalb der EU-Vorgaben – die Strafdrohungen mit den anderen Umweltstraftaten, aber ebenso mit verwandten Deliktsgruppen (z.B. Körperverletzungs- und Gesundheitsschädigungsdelikte, Gemeingefährdungsdelikte) abgestimmt werden.

Den höchsten Mindeststrafrahmen sieht die EU-Richtlinie dann vor, wenn bestimmte Umweltstraftaten den Tod einer Person verursachen: Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mind. 10 Jahre bzw. – bei weniger schweren Umweltdelikten – im Höchstmaß von mind. 5 Jahre. Zugleich verlangt der EU-Gesetzgeber, dass weitere strafrechtliche wie nichtstrafrechtliche Sanktionen über natürliche Personen verhängt werden können, wie etwa die Verpflichtung, den vorherigen Zustand wiederherzustellen oder eine Entschädigung für Umweltschäden zu zahlen, den Ausschluss von Ausschreibungsverfahren, Beihilfen und Genehmigungen oder die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen für Tätigkeiten, die zur Straftat geführt haben.

  1. Geldstrafen gegen Unternehmen

Die Verantwortlichkeit juristischer Personen für Straftaten ist in Österreich bereits im VbVG angelegt; die neuen Delikte wären automatisch ein möglicher Anknüpfungspunkt für eine Verbandsverantwortlichkeit nach VbVG, weil dieses auf den gesamten Deliktskatalog des StGB verweist.

Tätig werden müsste der Gesetzgeber aber, was die Höhe der Verbandsgeldbuße anbelangt. Bei schweren Umweltstraftaten verlangt die Richtlinie Geldbußen im Höchstmaß von zumindest 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes oder von zumindest 40 Mio €. Dieses Mindesthöchstmaß geht weiter über die geltende Rechtslage hinaus (max. 5,4 Mio €, und das nur bei schwersten Straftaten wie Mord).

Darüber hinaus sollen neben der Verhängung von Geldstrafen weitere Sanktionen angedroht werden, wie etwa die Verpflichtung der Schadenswiedergutmachung, der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen, der Ausschluss vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung, zu Ausschreibungsverfahren, Beihilfen und Genehmigen, das vorübergehende oder dauerhafte Verbot der Geschäftstätigkeit oder die Unterstellung unter gerichtliche Aufsicht.

  1. Strafverfolgung von Umweltverstößen und Prävention

Weitere Bestimmungen betreffen den Bereich der Strafverfolgung und Prävention. Es sollen beispielsweise Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, die etwa auch bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität oder anderen schweren Straftaten verwendet werden dürfen (in Österreich wäre dies etwa die optische und akustische Überwachung von Personen oder eine systematische, über längere Zeit durchgeführte verdeckte Ermittlung). Personen, die Umweltstraftaten melden oder Beweise vorlegen, sollen Zugang zu Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen haben. Zudem sollen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen wie Informations- und Sensibilisierungskampagnen ergreifen, um Umweltkriminalität und ihr Risiko zu vermindern.