In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Oberste Gerichtshof (11 Os 112/23i vom 21.11.2023) mit der Frage befasst, ob der Anwendungsbereich des § 168b StGB auch solche Vergabeverfahren erfasst, die außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Bundesvergabegesetzes (BVergG) liegen.
§168b StGB pönalisiert rechtswidrige Bieterabsprachen, sofern die sich absprechenden Bieter in einem Vergabeverfahren einen Teilnahmeantrag stellen, ein Angebot legen bzw. Verhandlungen führen. Dieser Straftatbestand stellt daher kartellrechtswidrige Absprachen in einem beschränkten Anwendungsbereich (Vergabeverfahren) unter gerichtliche Strafe. Bislang nicht eindeutig geklärt war, ob der Gesetzeswortlaut unter „Vergabeverfahren“ nur solche versteht, die das BVergG erfasst. Immerhin hat sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des Tatbestandes, etwa der Umschreibung der Tathandlungen (Teilnahmeantrag stellen, Angebot legen, Verhandlungen führen) an den Bestimmungen des BVergG orientiert, sodass die überwiegende Lehre bislang davon ausgegangen ist, dass nur Vergabeverfahren iSd BVergG von § 168b StGB erfasst werden.
Der OGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass dem Gesetzeswortlaut eine derartige Einschränkung auf Vergabeverfahren im Sinn des BVergG nicht zu entnehmen ist. Aus der „bloßen Übernahme dessen Terminologie“ kann auch keine (dynamische) Verweisung auf das BVergG erblickt werden. § 168b StGB erfasst sohin sämtliche Vergabeverfahren, d.h. „Verfahren zur Beschaffung von Leistungen“, auch wenn sie weder dem öffentlichen Bereich, noch dem Sektorenbereich zuzuordnen sind. Auch eine Einschränkung beim Auftraggeber (als denjenigen „Rechtsträger, der vertraglich an einen Auftragnehmer einen Auftrag zur Erbringung von Leistungen gegen Entgelt erteilt oder zu erteilen beabsichtigt“) ist in § 168b StGB nicht vorgesehen, sodass Vergabeverfahren, die von „privaten“ Auftraggebern durchgeführt werden, ebenso tatbestandlich sind.
Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 168b StGB gegenüber der bislang überwiegenden Meinung im Schrifttum kann ohne Einschränkung auch auf „Altfälle“ angewendet werden, die etwa im Zusammenhang mit Ermittlungen der BWB aufgedeckt werden. Selbst wenn kartellrechtswidrige Absprachen nicht in Vergaben der öffentlichen Hand erfolgt sind, sondern „nur“ in privaten Vergaben, besteht (jedenfalls nunmehr) ein erhöhtes Risiko, dass auch diese privaten Vergaben von Seiten der Strafverfolgungsbehörden untersucht werden.