Nach einer aktuellen Entscheidung des OGH (1 Ob 22/23a vom 21.3.2023) ist eine Amtshaftung für gesetzwidrige Ermittlungshandlungen ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte die Stellung eines Einstellungsantrags während laufenden Ermittlungsverfahrens schuldhaft unterlassen hat. Denn den Beschuldigten treffe eine Rettungspflicht nach § 2 Abs. 2 AHG und der Einstellungsantrag sei abstrakt geeignet, den Schaden zu verhindern.
Die Entscheidung wird – zu Recht – kritisch gesehen:
Erstens ist der Beschuldigte nicht zwingend anwaltlich vertreten, weil im Ermittlungsverfahren grundsätzlich (mit Ausnahme von bestimmten Situationen wie etwa Untersuchungshaft) keine Anwaltspflicht besteht, zweitens müsste der Beschuldigte bei längeren Ermittlungsverfahren (das impliziert auch der OGH, ohne explizit Stellung zu beziehen) wohl mehrere (wie oft und in welchen Zeitabständen?) Einstellungsanträge stellen, und drittens kann ein Einstellungsantrag oder vielmehr die Stellung wiederholter Einstellungsanträge der Verteidigungsstrategie widersprechen und nachteilige gerichtliche Entscheidungen hervorrufen.
Steht eine gesetzwidrige Führung eines Ermittlungsverfahrens im Raum, ist angesichts dieser OGH-Rechtsprechung aber jedenfalls sorgfältig abzuwägen, wann bzw. wie oft ein Einstellungsantrag gestellt wird, um allfällige Amtshaftungsansprüche nicht zu verlieren.